Das Kino International ist nicht nur eines der bedeutendsten Berliner Kinos, es gehört darüber hinaus zu den architektonischen Kronjuwelen der wiedervereinten Stadt. Als denkmalgeschütztes Kinobaudenkmal ist es heute ebenso weltweit bekannt wie als großes Premierenhaus. Filmschaffende wie Tilda Swinton, Steven Spielberg, Barry Jenkins, Taika Waititi, Spike Lee und viele andere waren hier bereits zu Gast, um ihre Filme erstmals öffentlich vorzustellen.Über die bewegende Geschichte des Internationals könnte man einen eigenen Film drehen. Darin würde zum Beispiel erzählt werden, wie am 9. November 1989 Heiner Carows Coming Out Premiere feiert. Eine Sensation und Ergebnis langjähriger Bemühungen, in der DDR einen für Toleranz werbenden Film über Homosexualität drehen zu dürfen. Der Filmtitel sollte in derselben Nacht Programm für das Schicksal einer ganzen Nation werden. Die Berliner Mauer fällt während der ersten der beiden Premierenvorstellungen. Als die Gäste das Kino verlassen, finden sie sich in einer neuen Welt wieder.In vielerlei Hinsicht ist dieser Abend ein Wendepunkt in der Geschichte des Kinos zwischen DDR und wiedervereintem Berlin. 27 Jahre zuvor eröffnet das Kino International nach zweijähriger Bauzeit im November 1963. Der Bau wurde zuvor von den Architekten Josef Kaiser und Heinz Aust geplant, die auch das Café Moskau und das Kino Kosmos verantworteten. Das 14-teilige Bildhauerrelief Aus dem Leben heutiger Menschen, das sich über die drei fensterlosen Seitenflächen erstreckt, entwerfen Waldemar Grzimek, Hubert Schiefelbein und Karl-Heinz Schamal aus nur zwei Gussformen.Im Gebäude selbst ist für feierliche DEFA-Filmpremieren in Anwesenheit der DDR-Staatsführung alles vorhanden: separate Reihe mit extra Beinfreiheit, Repräsentationsraum für Empfänge und sogar ein eigener Atomschutzbunker.Unzählige DEFA-Premieren, festliche Bälle und Bankette werden hier gefeiert. Sogar Konzerte finden im Kino statt. Aber auch abseits von großen Premieren strömt die Ost-Berliner Bevölkerung in das Kino. DEFA-Klassiker wie Solo Sunny, aber auch ausgewählte West-Filme wie Dirty Dancing finden über 100.000 Zuschauende.Manchmal spielen sich jedoch auch abseits der Leinwand unschöne Szenen ab. 1966 inszeniert die SED-Führung Protestaktionen während Vorstellungen und vor dem Kino gegen den Film Spur der Steine, der der Parteiführung zu kritisch schien. Die inszenierten Krawalle werden zum Anlass genommen, den Film zu verbieten. Nur wenige Tage nach der Premiere verschwindet er aus dem Programm, Regisseur Frank Beyer wird auf Jahre kaltgestellt. Erst zwei Wochen nach dem Mauerfall ist der Film erstmals wieder im Kino International zu sehen, ebenso 1990 auf der Berlinale, die in diesem Jahr zum ersten, aber nicht zum letzten Mal im International stattfindet..Seit 1992 gehört das International zur Yorck Kinogruppe, die das Kino in mehrfacher Hinsicht pflegt. Das Gebäude wird laufend sorgfältig und denkmalschutzgerecht gepflegt, saniert und renoviert. Nach wie vor ist es eines der wichtigsten Premierenkinos Deutschlands und empfängt nationale wie internationale Filmschaffende zu Erstaufführungen. Und auch an die Ereignisse um die Premiere von Coming Out am 9. November 1989 knüpft die Yorck Kinogruppe programmatisch an. Seit 1997 ist die Filmreihe Mongay fester Bestandteil des Kinoprogramms und bringt immer montags um 22 Uhr einen aktuellen queeren Film auf die große Leinwand an der Karl-Marx-Allee. Es ist die älteste queere Filmreihe in Deutschland. Und draußen, an der Fassade, grüßt die Gäste wie vor fast sechzig Jahren aus der Ferne ein wunderschöner Anachronismus: Handgemalte Kinoplakate, zeitlos und einzigartig – wie das International selbst.